Leseprobe

2020 ~ Joannas Erinnerungen

Alles begann mit diesem seltsamen Foto, das meine Schwester Isabelle, meine Cousine Jane und ich an einem längst vergangenen heißen Sommertag des Jahres 1959 auf dem Dachboden unserer Oma Rosemary entdeckten.
   Selbst heute, viele Jahre später, denke ich noch oft an diesen Tag zurück. Als hätte eben jener mein Gedächtnis mit einem Zauber belegt, hat es diese Erinnerung niemals ausgelöscht. Nicht wie so viele andere Momente, die ich erleben durfte – vor allem die aus meiner Kindheit –, die einfach zu einem hellen Ganzen verschmolzen sind. Diese Erinnerungen sind oft nur milchig, als würde ich sie durch eine angelaufene Fensterscheibe betrachten. Wieder andere bleiben hingegen für immer in der Dunkelheit verborgen und scheinen nur für den Augenblick, in dem ich sie zu meiner Vergangenheit machte, existiert zu haben. Denn in der Zukunft sind sie verschwunden.
   An diesen ganz besonderen Tag kann ich mich jedoch nur allzu gut erinnern. Ich erinnere mich an jede noch so unbedeutend erscheinende Kleinigkeit. Und dies nicht ohne Grund. Denn wie sich am Ende meiner Geschichte herausstellen sollte, war dies der Tag, an dem mein Schicksal einen neuen Weg einschlagen und mein Leben eine neue Bestimmung erhalten sollte.
   An diesem Tag verschleierte keine Wolke den Himmel über London, sodass die ungefilterte Sonne mit ihrer strahlenden Kraft die Natur und die darin eingefassten Gebäude erwärmte wie Brote in einem Backofen. Und ausgerechnet an diesem heißen Tag kletterten Isy, Jane und ich auf den stickigen Dachboden unserer Großmutter und spielten Verkleiden. 
   Wir Mädchen standen uns damals sehr nah. Auch wenn Jane eigentlich nur unsere Cousine war, sind wir drei doch wie Schwestern aufgewachsen. Außerdem hatte meine kleine Schwester womöglich mehr Ähnlichkeit mit ihr als mit meiner Wenigkeit. Beide hatten sie dieses seidige schwarze Haar, das für die Frauen in unserer Familie typisch ist. Nur meine Mutter Melody und ich hatten rote Haare. Woher auch immer die Gene dafür stammen mochten. Aber als kleines Mädchen hatte ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Das Einzige, was mich damals an meiner Haarfarbe beschäftigte, war, dass sie mich von Jane und Isy unterschied.
   Wir drei lebten damals mit unseren Eltern und Janes kleinem Bruder Josh auf einem Hof in Schottland, der aus drei Häusern bestand. In dem einen, dem Größten, lebte eine alte Freundin unserer Oma Rosemary. Jetzt mag das so klingen, als kannten sich die beiden einfach schon sehr lange. Was auch stimmt. Aber das war noch nicht alles. Die besagte Freundin unserer Oma war nämlich tatsächlich schon sehr, sehr alt. Vor allem in den Augen dreier junger Mädchen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten. 
   Jane und Isy hatten ein wenig Angst vor ihr und so erfand ich eines Tages ein Spiel, das mir selbst sehr zu Nutzen kam. Wer sich am weitesten in das Geisterhaus – wie wir das Ihre im Geheimen nannten – hinein traute, durfte eine seiner täglichen Aufgaben an die anderen beiden abtreten. Und es gab viele Aufgaben auf unserem Hof. Wir lebten nicht nur von der Landwirtschaft, wir hatten auch viele Tiere, unter anderem Hühner, Schweine, Kühe, Schafe und natürlich die Pferde, meine allerliebsten Tiere, mit welchen ich die meiste Zeit verbrachte. Manchmal mehr als mit meinen Mitmenschen, wie Janes Mutter, meine Tante Penelope zu sagen pflegte. 
   Tante Penny lebte mit meinem Onkel und ihren beiden Kindern in einem der beiden kleineren Häuser, die zu unserem Hof gehörten. In dem anderen lebten, meine Mutter, mein Vater, Isabelle und ich.
   Wenn ich mit Jane und Isy durchs Nachbardorf schlenderte, geschah es ab und an, dass der ein oder andere, dem wir über den Weg liefen, wohl unbedingt anmerken musste, wie ähnlich sich die beiden doch sähen. »Wie aus dem Gesicht geschnitten«, war wohl der am häufigsten gefallene Ausdruck. Nicht, dass ich eine Rangliste angelegt hätte. Dabei stimmte es eigentlich gar nicht. Sie waren sich nicht wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hatten lediglich das gleiche schwarze Haar und diese strahlend blauen Augen, die die Menschen zu täuschen pflegten. Noch dazu kam, dass sie ungefähr gleich groß waren, obwohl Isy ein Jahr jünger war als Jane. Ich überragte beide um eine Kopflänge und dazu kam eben mein sprödes rotes Haar, welches mich von den beiden trennte wie ein unsichtbares Band.
   Im Sommer pflegten unsere Eltern für ein oder zwei Wochen Aushilfskräfte auf unserem Hof einzustellen, sodass wir gemeinsam zu unserer Oma nach London reisen und uns in ihrem großen Anwesen namens Schloss Lily Hall ein wenig auf die faule Haut legen konnten. Nun, es wurde Schloss genannt, aber es war natürlich nichts Vergleichbares mit einem wirklichen Schloss. Es war einfach ein sehr altes, großes Haus, mit vielen geheimen Türen und spitzen Türmchen, einem Speisenaufzug, vielen verwinkelten Zimmern und umgeben war es von einem kleinen Park. Es lag also nicht direkt in London. Jedoch benötigte man deutlich weniger Zeit, um von dort in die Stadt zu fahren, als wir daheim in eines der benachbarten Dörfer. Von der nächsten Stadt ganz zu schweigen. Es war mir der liebste Ort auf Erden. Hätte ich meine Pferde hier gehabt, wäre ich am liebsten für immer dortgeblieben.
   An diesem einen Tag, der so bedeutend für mein weiteres Leben werden sollte, roch es im ganzen Schloss nach Blaubeerkuchen, den Oma Rose gebacken hatte, um uns willkommen zu heißen. Auch ihre anderen Kinder Clementine, Mortimer und Silja waren da. Genauso, wie meine restlichen Cousins.
   Auf den Dachboden gingen an diesem Tag jedoch nur wir drei: Jane, Isy und ich. Josh, der uns erst in ein paar Jahren auf unsere Exkursionen begleiten sollte, war damals noch zu klein. Er war gerade mal ein Jahr alt. Ich war sieben, Jane fünf und Isy vier. Isy hatte erst vor Kurzem angefangen zu sprechen und tat es auch damals nur sehr selten, während ich eigentlich unaufhörlich irgendein dummes Zeug plapperte. Damals bin ich irgendwie die Anführerin unserer kleinen Truppe gewesen, also war ich auch diejenige, die entschied, was wir taten. Und das Schicksal hatte es vermutlich so gewollt, dass ich an diesem Tag vorschlug, auf den Dachboden zu gehen und nach alten Schätzen zu suchen. Die anderen beiden hatten da nicht viel Mitspracherecht und so fanden wir uns schon bald auf den knarrenden Dielen des alten Dachbodens wider.
   Ich hätte schwören können, dass seit Jahren niemand mehr hier oben gewesen war. Und das war sogar sehr wahrscheinlich, denn wie ich wusste, war es eigentlich verboten, hier oben zu spielen. Aber wie das bei Kindern nun mal oft der Fall ist, fühlen sie sich von dem Verbotenen angezogen wie Mücken vom Licht. Und so konnte auch ich ihm an diesem Tag einfach nicht widerstehen. Ich sah es beinahe als meine heilige Pflicht an, den verrufenen Dachboden zu erkunden. 
   Alles dort unterm Dach war voller Spinnenweben, die das bisschen Sonnenlicht, das durch ein verdrecktes kleines, rundes Fenster strömte, einfingen und in sich aufzusaugen schienen. Und es lag ein Geruch in der Luft, der den Blaubeerkuchen sofort in Vergessenheit geraten ließ. Ein modriger Geruch, der sich hartnäckig in unsere kleinen Näschen bohrte.
   Isy musste niesen und wirbelte damit eine Staubwolke auf, die wiederum Jane zum Niesen brachte. Ich spürte, dass sie diesen Ort wieder verlassen wollten und sich unwohl fühlten, aber sie sagten nichts und so dachte ich, müsse ich auch nicht auf ihre stummen Wünsche eingehen. 
   Eins weiß ich heute aber ganz sicher. Hätte ich damals nachgegeben und wäre mit ihnen wieder nach unten gegangen, wäre alles ganz anders gekommen und ich wäre nicht die Person, die ich heute bin. Zumindest würde ich mich nicht dafür halten. 
Ich war wie verzaubert von der geheimnisvollen Atmosphäre, die mich umgab. Ich wollte hier nicht weg, ehe ich all die Geheimnisse gelüftet hätte, die dieser Ort in sich barg und vor dem Rest meiner Familie versteckte. In diesem Moment spürte ich zum ersten Mal dieses Verlangen, welches sich nur schwer beschreiben lässt. Das Verlangen nach Vergangenheit und Geheimnissen. Dieser Ort durfte nicht umsonst verboten sein, dachte ich mir. Was war der Grund dafür? Was verbarg sich im Inneren der ganzen Kartons, Schachteln und Kisten aller Größen?
   Dann sah ich in einer Ecke einen alten Kleiderschrank stehen. Sofort kam mir die Idee, wie ich die anderen beiden doch noch davon überzeugen konnte, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, hier hinauf zu gehen.
   »Los kommt, wir spielen verkleiden!«, sagte ich und entflammte ihre Euphorie sogleich mit meiner eigenen. 
   Als Älteste lag es an mir, den mysteriösen Kleiderschrank zu öffnen. Ein lautes Knarren durchströmte den Dachboden und der modrige Geruch wurde noch einmal stärker. Aber das, was wir im Inneren des Schrankes vorfanden, war diesen kleinen Makel eindeutig wert gewesen.
   Kleider.
   Ganz viele, lange, bauschige Prinzessinenkleider. Isy kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich ihr ein Kleid aus grüner Seide, mit einem bestickten Tüllrock reichte. Es war Liebe auf den ersten Blick, auch wenn es ihr natürlich noch viel zu groß war. Trotzdem war es das Kleinste gewesen, das ich hatte entdecken können. 
   Jane musste mit einem Erwachsenenkleid, einem bodenlangen gelben Sommerkleid, vorliebnehmen. Doch zu ihrem Entzücken schimmerte es golden in dem Sonnenlicht, das noch immer durch das kleine Dachfenster strömte. 
   Und da sah ich es. Mein Kleid. Es war von seinen Zellengenossinnen ganz in die Ecke gedrängt worden. Vorsichtig schob ich die anderen Kleider, die mir plötzlich belanglos erschienen, zur Seite und nahm es mit vor lauter Ehrfurcht zitternden Händen heraus. Es handelte sich um ein weißes Kleid aus Satin, das mit Unmengen an weißer Spitze verziert war. Es hatte einen bauschigen Rock, auf welchem sich viele kleine weiße Rosen und Perlen tummelten. Außerdem besaß es eine lange weiße Schleppe, die so dünn war, dass ich sie beinahe übersehen hätte. Wie ein leichter Silberhauch fiel sie am Rücken des Kleides hinab. 
   Ein Brautkleid. Mein Entzücken wurde noch größer, als ich erkannte, was für ein besonderes Kleid es war.
   Jane und Isy hatten sich inzwischen bereits umgezogen und waren selbst ganz erstaunt, als sie sahen, was ich da gefunden hatte.
   »Zieh es an! Zieh es an!«, bettelte Jane. 
   Das ließ ich mir selbstverständlich nicht zweimal sagen. Da ich nur ein dünnes Sommerkleid trug, konnte ich das Brautkleid einfach überziehen. Es war mir natürlich noch viel zu groß, aber als ich einen alten angeschlagenen Spiegel in einer der Ecken entdeckte und mich darin betrachtete, sah ich nur noch die Schönheit des Kleides. Dass es für eine ganz andere Figur als der meinen geschneidert worden war, spielte keine Rolle. Es war einfach perfekt. Isy und Jane kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.
   »Du siehst wie eine Prinzessin aus«, murmelte Jane ehrfürchtig.
   »Eine Prinzessin mit roten Haaren?«, fragte ich skeptisch, weil mir dieser Gedanke völlig abwegig erschien. Aber sie beide konnten dennoch spüren, dass ich mich sehr wohl wie eine Prinzessin fühlte.
   »Kommt, seht euch auch an«, forderte ich sie schließlich auf und gab den Blick auf den Spiegel frei, der einmal sehr schön gewesen sein musste. Er war mit einem goldenen, aufwendig verzierten Rahmen verkleidet, der inzwischen jedoch die ein oder andere Macke davongetragen hatte. Außerdem hatte auch der Spiegel an sich einen Sprung, der unser Spiegelbild beinahe in der Mitte teilte.
   »Wisst ihr was?«, fragte ich nach einer andächtigen Weile des stillen Betrachtens. »Warum schminken wir uns nicht auch noch wie Prinzessinnen?« 
   Jane und Isy waren sofort Feuer und Flamme. Jane erklärte sich bereit, noch einmal schnell ihre normalen Sachen anzuziehen, sich nach unten in das Zimmer ihrer Mutter zu schleichen und uns Schminksachen zu besorgen. Isabelle wartete geduldig, bis sie wieder da war, während ich mich weiter auf dem Dachboden umsah. 
   In einer Nische entdeckte ich ein Vogelnest, das von den nackten Holzbalken und Dachziegeln eingerahmt wurde. Ein zartes Zwitschern ließ verkünden, dass der Nachwuchs bereits geschlüpft war und nach einer kräftigenden Mahlzeit verlangte.
Ich bemerkte gar nicht, dass Jane bald schon wieder da war und sie und Isy sich dem Schminken zuwendeten. Obwohl Isabelle die Jüngste von uns war, hatte sie schon immer das beste Händchen in diesem Bereich gehabt. Bereits mit ihren vier Jahren zog sie sich einen perfekten Lidstrich, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, während Jane sich mit Lippenstift eine Krone auf die Stirn malte.
   Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Geist. Ich tapste in dem viel zu großen Brautkleid auf den morschen Dielen umher und suchte nach Erinnerungen. Ich durchstöberte Kisten voller Bücher, mit denen ich jedoch nichts weiter anfangen konnte. Es waren Erwachsenenbücher. Daran ging mein Interesse schnell verloren. 
   Nein, ich wusste, dass ich irgendetwas finden musste. Es zog mich geradezu an. Und mit jeder Sekunde, die verging, wuchs meine Ungeduld und mein Verlangen, endlich etwas zu finden, für das sich die heutige Mission gelohnt haben würde. Meine Sinne begannen sich unmerklich zu schärfen. 
   Was ich da noch nicht gewusst hatte, war, dass ich überhaupt nichts finden würde. Der Gegenstand, der mein Leben verändern sollte, fand nämlich mich. 
   Ich wollte gerade zu Jane und Isy zurückkehren, um zu sehen, was sie aus sich gemacht hatten, als es mir einfach so, wie aus dem Nichts vor die Nase fiel. Es war windig draußen und durch die Ritzen zwischen den Dachziegeln musste es sich irgendwo gelöst haben. Jedenfalls flog es mir einfach so vor die Füße. 
   Erst dachte ich, es sei nur ein Blatt Papier, aber als ich es aufhob, erkannte ich, dass es sich um eine alte Fotografie handelte. Als ich diese umdrehte, um mir das Bild anzusehen, stockte mir für einen Moment lang der Atem.
   Das konnte doch nicht sein!, dachte ich. Die Frau auf dem Bild sah aus wie ich. Sie trug dasselbe Kleid, welches auch ich gerade trug. Neben ihr stand ein Mann, den ich als meinen Großvater erkannte. Kein Zweifel, das war Opa Freddy. Es war ein Hochzeitsfoto, aber die Braut war nicht meine Großmutter.

London 1920

Der Geruch von Schnee lag in der Luft, als eine junge Frau mit roten Haaren in ihr weißes Brautkleid stieg. Den ganzen Morgen über hatte sie nur in ihrem dünnen Unterkleid vor den bodentiefen Fenstern ihres Zimmers gestanden und wie in Trance dabei zugesehen, wie die zauberhaften kleinen Flocken aus Eis auf die Erde hinunterrieselten. Niemanden hatte sie an sich herangelassen. Auch das sich alle paar Minuten wiederholende Klopfen ihrer Brautjungfer hatte sie einfach an sich vorbeihallen lassen, denn sie hatte dringend ein wenig Zeit zum Nachdenken gebraucht. Zeit, sich wirklich und wahrhaftig darüber klar zu werden, was sie an diesem Tag im Begriff war zu tun. 
   Die Geister ihrer Vergangenheit hatten sie die letzten Wochen über immer wieder heimgesucht. Überall, in jedem Winkel ihres neuen Zuhauses, in jedem ihr freundlich zulächelnden Gesicht, in jedem Vogel, der am Himmel seine Kreise zog, sah sie Geister. Einen jedoch deutlich häufiger als andere. Dieser Geist suchte sie immer wieder heim, ob sie nun wach oder in tiefem Schlaf versunken war. Manchmal wusste sie es selbst nicht so genau, ob sie nun träumte oder nicht, denn ihre Träume hörten einfach nicht auf, sie zu verfolgen. 
   Doch während der Himmel die vielen kleinen weißen Flocken auf die Erde hinunterrieseln ließ, ließ die junge Frau ihre Gedanken schweifen und dachte an eine Zeit zurück, in der alles noch so anders gewesen war. Es hatte tatsächlich einmal eine Zeit gegeben, in der sie mit sich selbst im Reinen gewesen war. Eine Zeit, in der sie von keinerlei Schuldgefühlen und lästigen Geistern heimgesucht worden war. Sie hatte ganz einfach tun und lassen können, was sie wollte und die einzige Person, um die sie sich je hatte kümmern müssen, war sie selbst gewesen.
   Wann hatte sie damit angefangen, sich um das Wohl anderer zu scheren? Vor allem um das Wohl einer Toten?
   Doch wie die Erde immer weißer wurde, so wurden es auch ihre Gedanken. In kleinen Flocken fiel die Dunkelheit, die ihr Herz die letzten Wochen über nicht zur Ruhe hatte kommen lassen, sachte von ihr ab. 
   Wie ihr jetzt bewusst wurde, hatte sie sich zum ersten Mal in ihrem noch jungen Leben in einen guten Mann verliebt. Freddy war wirklich die reinste Seele, der sie je begegnet war. Seine Seele war völlig unbefleckt. Bis auf den kleinen unübersehbaren Schatten, den der Geist auch bei ihm hinterlassen hatte. Ein winziger Makel, der sein Gesamtbild nur umso vollkommener erscheinen ließ. Und trotzdem war er einfach durch und durch gut und damit das, wonach sie sich schon so lange gesehnt hatte. 
   Sie selbst war es nicht. Sie hatte viele Dinge in ihrem Leben getan, auf die sie nicht sonderlich stolz war. Doch heute würde sie einen Neuanfang wagen. Mit einem weißen Kleid würde sie all ihre Fehler, seien sie auch noch so schlimm und in Gottes Augen unverzeihlich gewesen, einfach auslöschen. Es sollte der Beginn eines neuen, reinen Lebens werden. 
   Und so ließ sie den weißen Satin über ihren Körper gleiten, wie auch der Schnee den Baum vor ihrem Fenster bedeckte, in der Hoffnung, keiner würde bemerken, dass sie gar nicht so unschuldig war, wie es den Anschein hatte.
   Heute würde sie mit ihrer Vergangenheit abschließen und ein neues Leben beginnen. Als ehrbare Frau eines guten Mannes. Es war der Tag ihrer Hochzeit, welcher der schönste Tag ihres Lebens hatte werden sollen. Und dennoch hatte sie Angst. Angst, dass die Geister zurückkehren würden.

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